Stadtblattartikel von Anja Gernand und Kathrin Rabus, Bündnis 90/Die Grünen – Ausgabe vom 11.05.2022//
Ja, es darf. Im Jugendhilfeausschuss wurde die jährliche Bedarfsplanung der Kindertagesbetreuung vorgestellt. Woanders sei die Situation schlechter hieß es, doch das kann und darf nicht der Maßstab sein. Die Zahlen sehen gut aus: Eine Abdeckung von fast 100%, 130 neue Plätze kommen kurzfristig hinzu, die Vielfalt an Trägern und Konzepten ist groß. Doch zur Wahrheit gehört auch, dass die Auslastung der Plätze bei gut 90% liegt und aktuell 300 Plätze nicht besetzt werden können aufgrund des Personalmangels.
In der Praxis bedeutet das, einen Betreuungsplatz zu bekommen ist zeitaufwendig und oft wenig transparent, eine langfristige Planung fast unmöglich. Trotz des neuen Vormerksystems müssen Einrichtungen kontaktiert werden, da es keine verlässliche Rückmeldung über das System gibt. Nicht gut kommuniziert ist, dass das neue Vormerksystem nicht zu einer automatischen Platzvergabe führt! Besonders schwierig und Folge der hohen Platzauslastung und Inflexibilität ist die Situation, wenn ein Betreuungsplatz abweichend vom Start des Kindergartenjahres im September benötigt wird. Akute Sondersituationen, wie aktuell Geflüchtete aus der Ukraine, sind in der Planung noch gar nicht eingerechnet.
Unklar ist auch die Situation der Familien mit Kindern, die einen besonderen Förderbedarf haben. Wie viele Plätze benötigt werden, wie lang die Wartelisten sind und ob die Inklusion in den Regeleinrichtungen klappt, wird in der jährlichen Bedarfsplanung nicht erfasst. Fragen, die aber einer besonderen Aufmerksamkeit bedürfen. Nicht nur, weil mit der Einführung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes die Zuständigkeit für alle Kinder (mit und ohne Behinderung) ins Kinder- und Jugendamt wandert, sondern auch, weil wir den Anspruch haben sollten, eine qualitativ hochwertige Betreuung für alle Kinder anzubieten. Heidelberg lebt von seiner Vielfalt – auch bei den ganz Kleinen.
Fast alle anderen Parteien und Gruppierungen im Ausschuss loben die Planungsarbeit des Jugendamtes ausschließlich. Zurecht insofern, da hier sicherlich alles getan wird, um die Betreuungssituation in Heidelberg stabil zu halten. Einen deutlichen Handlungsbedarf oder stärkere Ambitionen sieht man aber kaum. Auf einem beliebigen Spielplatz der Stadt das Stichwort “Betreuung” in die Runde zu werfen und zuzuhören, reicht, um die großen Sorgen und Nöte von Eltern, Familien, Sorgeberechtigten wahrzunehmen. Wir würden uns sehr wünschen, dass der Anspruch von Verwaltung und anderen Parteien höher wäre, als “woanders ist es schlechter”.
Wer nach der letzten Vergaberunde im Mai keinen Betreuungsplatz bekommen oder große Schwierigkeiten mit dem Zeitpunkt hat, möge sich bitte an das Jugendamt wenden!
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