Stadtblatt-Beitrag von Felix Grädler – Ausgabe vom 20.01.2021 //
2017 kündigte unser OB an, er wolle „Heidelberg als eine der digitalen Vorreiterstädte etablieren“. Viele Digitalisierungsprojekte wurden beschlossen, wie z.B. die Entwicklung eines Bürgerportals und einer App für Mobilitätseingeschränkte, eine digitale Ehrenamtskarte, der Ausbau der digitalen Bürgerbeteiligung, ein Smart Parking Konzept und das Modellprojekt für Medienberater*innen an Schulen. All diese Beschlüsse sind aber noch nicht umgesetzt, teilweise noch nicht einmal begonnen. Die Gründe: Meist wird auf eine zu hohe Arbeitsbelastung in der Verwaltung verwiesen, wenngleich die Gemeinderatsbeschlüsse Kapazitäten dafür bereitstellen.
Es stellt sich also die Frage, ob die zögerlich vorankommende Digitalisierung in Heidelberg eventuell tiefer begründet liegt: nämlich in mangelndem Verständnis davon, was Digitalisierung überhaupt ist. Wenn unser OB in einem Podcast die Onlinebestellung der KFZ-Kennzeichen in Heidelberg als gelungenes Beispiel für Künstliche Intelligenz lobt, wundere ich mich nicht mehr. Und viele Prozesse der Verwaltung laufen wirklich so ab: Man erhält ein Schreiben der Stadt per Post, in dem ein Link steht, den man abtippen muss. Dort gibt es dann ein Formular, das man ausdrucken und per Post wieder an die Stadt zurückschicken muss, wo es ein*e Mitarbeiter*in wieder am PC abtippt. Heidelberg, die digitale Stadt?
Richtige Digitalisierung hätte bei der Pandemiebekämpfung weiterhelfen können. Schon Anfang 2020 hatte ein StartUp eine Software entwickelt, die den Gesundheitsämtern die Nachverfolgung der Infektionsketten deutlich einfacher gemacht hätte als mühsames Hinterhertelefonieren. Ich hatte sie schon früh mit unserem Gesundheitsamt vernetzt. Leider hat man sich aber nicht getraut, diese auszuprobieren. Auch dass Sitzungen des Gemeinderats und der Ausschüsse während Corona weder per Video übertragen werden noch digital stattfinden können, ist unverständlich. Besonders bezeichnend: Nicht einmal die städtische Digitalagentur (!) hatte es im April 2020 geschafft, ihre Beiratssitzung digital durchzuführen. Sie wurde abgesagt. Dazu passt es doch gut, dass vergangene Woche in einer RNZ-Karikatur ein oberlehrerhafter OB die Handys der Gemeinderatsmitglieder einsammelt, weil er unterbinden möchte, dass sie sich in der digitalen Medienöffentlichkeit präsentieren.
Ein Hoffnungsschimmer ist, dass bei der Zusammensetzung des neuen Dezernats für Kultur, Bürgerservice und Kreativwirtschaft die Digitalisierung als Schwerpunktthema gesetzt wurde, auch wenn sie es leider nicht in die Dezernatsbezeichnung geschafft hat.
Sie sehen: Wir haben viel zu tun! Haben Sie Ideen zum Thema Digitalisierung? Schreiben Sie mir gerne.
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