Stadtblattartikel von Dr. Dorothea Kaufmann, Bündnis 90/Die Grünen – Ausgabe vom 27.04.2022//
Am 21. März 1960 demonstrierten in Südafrika mehr als 20.000 Menschen gegen die diskriminierenden Passgesetze des damaligen Apartheit-Regimes. Hierbei wurden 69 Demonstrierende erschossen und mehr als 180 Menschen verletzt. Dieses “Massaker von Sharpeville” führte dazu, dass die Generalversammlung der Vereinten Nationen 1966 den 21. März als “Internationalen Tag für die Beseitigung der Rassendiskriminierung” ausrief und 1979 alle Mitgliedstaaten dazu aufrief, rund um diesen Tag Aktionswochen der Solidarität mit den Gegner*innen und Opfern von Rassismus zu organisieren.
Das Interkulturelle Zentrum Heidelberg folgt dieser Einladung seit vielen Jahren und bietet in diesen Aktionswochen ein spannendes und umfangreiches Programm an. Denn Rassismus ist leider immer noch nicht ausgestorben – ganz im Gegenteil, er flackert überall auf der Welt, aber eben auch in Heidelberg an vielen Stellen wieder verstärkt auf. Ganz aktuell in Aggressionen gegen russischstämmige Mitbürger*innen, die sich gegen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in der Ukraine stellen, aber auch gegen Menschen auf der Flucht und viel zu oft auch gegen Heidelberger*innen, die als migrantisch gelesen werden. Mit der Kommunalen Antidiskriminierungsstelle haben wir bereits eine Anlaufstelle für Betroffene geschaffen, doch wir müssen als Gesellschaft alle mit diesem Thema angemessen umgehen.
In Büchern, Kunstwerken, Musik, Namen von zukünftigen Stadtteilen und Lokalen oder Schaufensterdekorationen stecken auch heute noch rassistische Klischees und es ist unser aller Aufgabe, dies nicht nur zu bemerken, sondern auch zu ändern. Die Aufarbeitung unseres kolonialen Erbes, wie es z.B. durch die Rückgabe von Kulturgütern an die Herkunftsländer geschieht, ist hierbei ebenso wichtig wie die kritische Reflexion des eigenen Verhaltens und der eigenen Sprechweise. Besondere Bedeutung hat dies in einer Wissenschaftsstadt wie Heidelberg, die mit ihrer Weltoffenheit und Internationalität für so viele Menschen Heimat und Sehnsuchtsort ist.
Bei unserer Panel-Diskussion zum Thema “,Cancel Culture’ und postkoloniale Rassismus-Kritik in Forschung und Lehre” diskutierten vergangenen Dienstag Fachleute aus Wissenschaft und Beratung sowie das Publikum angeregt. Der Begriff der „Cancel Culture“ wird von (neu)rechten Kreisen als Angriff auf die Meinungs- und Kunstfreiheit fehlgedeutet, das ewige „das wird man doch noch sagen dürfen“ klingt hohl und falsch. Die Zeit ist überreif, die Allgegenwärtigkeit des Rassismus nicht mehr hinzunehmen, sondern aktiv zu kritisieren und so gemeinsam zu einer Erneuerung der Erinnerungskultur und einem respektvollen Miteinander beizutragen.
Foto: Daniel Kubirski / Lichtorte
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