Stadtblatt-Beitrag von Anja Gernand – Ausgabe vom 08.04.2020 //
Seit drei Wochen sind Schulen und Bildungseinrichtungen geschlossen. Was sich im ersten Moment vielleicht wie Ferien anfühlte, ist eigentlich der Zeitraffer für die Digitalisierung des Lernens. Dabei offenbart sich nun auch, wie viel Entwicklung und damit Potential hier in den vergangenen Jahren versäumt wurde.
Aufgrund der Schließungen mussten sich Schulen, Lehrer*innen und Schüler*innen auf E-Learning umstellen. Dies war für viele kein großes Problem, dort wo aber die Infrastruktur und damit die Routine im Alltag fehlen, war das schwieriger. Dennoch, die letzten Wochen haben an vielen Punkten gezeigt, dass Undenkbares auf einmal möglich ist: Schüler*innen lernen zu Hause durch digitale Arbeitsaufträge und mancherorts findet Unterricht als Videokonferenz statt. Das ist positiv und überfällig, um die Bildung zukunftsfähig zu machen. In Krisenzeiten liegen eben auch Chancen.
Aber es ist auch eine ziemlich unsichere und für alle Beteiligten schwierige Situation. Plötzlich müssen Eltern irgendwie Lehrer*innen sein, Lehrer*innen müssen Expert*innen für digitales Lernen sein und Schüler*innen müssen mehr denn je eigenverantwortlich lernen. Schon ohne Krisensituation sind die Rahmenbedingungen dafür nicht gut: Die entsprechende Software fehlt und ist übrigens auch nicht förderfähig durch den Digitalpakt, der nun offensichtlich viel zu spät wirksam wird. Heidelbergs Schulen hätten besser vorbereitet sein können, wenn die von uns geforderten Medienberater*innen schon lange flächendeckend im Einsatz wären oder sämtliche Schulen auf technischem Stand und mit entsprechender Ausstattung zur Mediennutzung wären.
Dies sind die offensichtlichen Probleme, neben weiteren Herausforderungen: Chancengleichheit in der Bildung hängt vor allem von den Voraussetzungen im Elternhaus ab. Wenn wir also wollen, dass Bildungsgerechtigkeit auch digital ist, muss Heidelberg Wege finden Kinder und Jugendliche, denen es an Grundvoraussetzungen für digitales selbstverantwortliches Lernen fehlt, akut und langfristig zu unterstützen.
Um aber die entstehenden Chancen auch zu nutzen, muss Heidelberg seine Schulen kurzfristig fit machen, E-Learning flächendeckend umsetzen zu können. Das könnte durch Vernetzung funktionieren: Schulen, die bereits gute Konzepte haben, unterstützen diejenigen mit weniger Erfahrung durch technischen Kompetenzaustausch und Austausch konkreter Praxisumsetzungen von digitalen Unterrichtsmodellen. Hilfreich wäre es auch, übersichtliche Leitfäden und Software-Kurzanleitungen für Schulen, Eltern und Lernende zur Verfügung zu stellen. Digital oder nicht, wir lernen gerade alle sehr viel: Geduld, Zusammenhalt, Wertschätzung.
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