Stadtblatt-Beitrag von Marilena Geugjes und Julian Sanwald – Ausgabe vom 11.12.2019//
Hochkultur ist in Heidelberg zuhause. Das ist auch gut so. Aber eine andere Form von Kultur wurde bisher eher stiefmütterlich behandelt. Und das, obwohl in der jüngsten Stadt Deutschlands wohl ebenso viele Menschen ansprechen dürfte wie hochkulturelle Angebote. Die Rede ist von der Kultur der Nacht. Die Kultur des Feierns, der Live-Musik, des Clubbings, der Kneipen. Die Kultur davon, nachts gemeinsam eine gute Zeit zu haben.
Mehr als Junggesellenabschiede
Wenn wir in Heidelberg von Nachtkultur sprechen, geht es eigentlich immer nur um die Untere Straße und die dortige Lärmproblematik. Auch wenn das ein zentrales Problem ist, das wir lösen müssen, ist es schade, dass dadurch Nachtkultur auf Lärmbelastung reduziert wird. Woraus folgt, dass sich die Gestaltung von Nachtkultur bisher eher auf die Regulierung von Sperrzeiten beschränkt hat – oder den Rechtsstreit darum.
Nachtkultur bedeutet aber so viel mehr. Ein lebendiges Nachtleben ist Ausdruck einer kreativen, offenen Stadt und ermöglicht kulturelle und soziale Begegnungen. Nachtkulturelle Einrichtungen sind zudem Wirtschaftsmotoren, die Jobs schaffen und die lokale Kreativwirtschaft unterstützen. Wir wollen der Nachtkultur darum den Stellenwert verleihen, den sie verdient, und fordern die Einrichtung der Stelle einer*s “Nachtbürgermeister*in”.
Night Mayor für Heidelberg
Das Konzept kommt aus Amsterdam, das als Vorbild in Sachen Nachtkultur gilt, und hat sich schnell auf der ganzen Welt verbreitet. Erst im vergangenen Jahr hat auch Mannheim einen Nachtbürgermeister, genannt “Night Mayor” (um mögliche Verwechslungen mit den regulären (Tag-)Bürgermeister*innen zu vermeiden), eingestellt. Die Aufgabe ist es, das Nachtleben zu verbessern und sozialverträglicher zu machen. Zum einen soll ein*e Night Mayor die Akteure der Nachtkultur repräsentieren und ihnen eine institutionalisierte Stimme in die Politik hinein verleihen. Dadurch soll beispielsweise dem Clubsterben entgegengewirkt werden, von dem auch Heidelberg betroffen ist. Weiter soll die*der Night Mayor alle relevanten Stakeholder miteinander verbinden und so eine Nachtkultur schaffen, die von Austausch und Kooperation geprägt ist. Vor allem soll verhindert werden, was in allzu vielen Städten geschieht: Nachtkultur “passiert” einfach. Clubs werden zum Beispiel bei der Stadtentwicklung selten mitbedacht. Wenn sie dann trotzdem entstehen, werden sie meist als Störfaktor wahrgenommen. Ein*e Night Mayor kümmert sich deshalb auch um die strategische und langfristige Planung von gesamtstädtischen Entwicklungen, von Nachtmobilität und von Sicherheitskonzepten – in Kooperation mit der Stadtverwaltung. Außerdem kann sie*er als Expert*in helfen, das Angebot der Nacht vielfältiger zu machen, Impulse für neue Formate zu geben, und damit die Qualität der Heidelberger Nachtkultur zu erhöhen – was ein verantwortungsbewussteres Publikum anlocken könnte.
Awareness-Kampagne zu Lärm in der Altstadt
Es wäre schade, die proaktive Rolle der/des Night Mayors darauf zu beschränken, sich reaktiv um Lärm in der Altstadt zu kümmern. Hinsichtlich dieser Problematik unterstützen wir weiterhin die in der letzten Gemeinderatssitzung beschlossene „Awareness-Kampagne“, die so schnell wie möglich umgesetzt werden und Erfahrungen aus anderen Städten berücksichtigen soll. Und wenn sich die Projektgruppe entscheidet, im Rahmen dieser Kampagne eine*n Lärmbeauftragte*n einzusetzen, werden wir auch das unterstützen. Aber eine*n Night Mayor wird diese Person nicht ersetzen. Wir Grüne finden, dass es gerade vor dem Hintergrund des Gerichtsurteils zu den Sperrzeiten in der Altstadt immens wichtig ist, die Heidelberger Nachtkultur mittel- und langfristig auf eine breitere und nachhaltigere Basis zu stellen, dabei auf alle Stadtteile und die Qualität der Angebote zu achten und bei der Entwicklung möglichst viele Stakeholder ins Boot zu holen. Für diese anspruchsvolle Aufgabe benötigen wir eine*n Zuständigen: eine*n Night Mayor.
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