Am 17. Oktober hat die Mehrheit des Heidelberger Gemeinderates für einen Neubau des Betriebshof am Altstandort im Bergheim gestimmt. Das Verbleiben des Betriebshofes am alten Standort ist eine schlechte Variante für eine nachhaltige und zukunftsfähige Stadtentwicklung. Wir erklären, warum:
FAQ: Warum ist der Standort Bergheim nicht für einen Betriebshof geeignet?
Ein Neubau des Betriebshofs am Altstandort verhindert eine nachhaltige, urbane und soziale Stadtentwicklung in Bergheim und beraubt Bergheim-Mitte wertvoller Entwicklungsperspektiven. Bei einer Verlagerung des Betriebshofs z.B. an die Speyerer Straße könnte auf dem freigewordenen Areal ein urbanes Viertel mit Cafés, Einzelhandel, Kreativwirtschaft, bezahlbarerem Wohnraum und öffentlich zugänglichen Grünflächen mit hoher Aufenthaltsqualität im Herzen Bergheims entstehen. Durch diese kurzsichtige Entscheidung der Mehrheit des Gemeinderats wurde die Entwicklungschance für Bergheim vertan. „Den Betriebshof am jetzigen Standort zu belassen, wäre definitiv tödlich für die Entwicklung der Mitte Bergheims“, so Jan van der Velden-Volkmann, Vorsitzender der Heidelberger Architektenkammer in der RNZ vom 08.02.2018.
Ein Betriebshof, zusätzlich 100 Prozent bezahlbaren Mietwohnungen in Händen der Gesellschaft für Grund- und Hausbesitz mbH Heidelberg (GGH) sowie Grün- und Freiflächen – dass alles auf der Fläche von 21.000 Quadratmetern. Das hört sich in der Fantasie gut an – ist aber Träumerei. Eine solche Megastruktur mit Betriebshof, 100% bezahlbarem Wohnraum und Stadtpark in 7 Metern Höhe im laufenden Betrieb neu zu bauen, wäre selbst für 60er-Jahre Brutalisten eine schier unlösbare Aufgabe gewesen. Klar ist: Die versprochene Eierlegende Wollmilchsau kann es nicht geben!
Das Tramdepot Kalkbreite der Verkehrsbetriebe Zürich wird immer wieder gerne als Best-Practice-Beispiel herangezogen und soll beweisen: Wie eine Wohnbebauung über einem Betriebshof funktionieren kann. Aber die Realität sieht anders aus. Unter der Wohnbebauung (Hochhaus) befindet sich eine reine Abstellhalle mit 9 Gleisen. Es gibt hier Platz für nur 9 Straßenbahnen, 8 davon sind tagsüber im Einsatz. Reparaturen werden in dieser Halle nicht durchgeführt. In der Tramhalle daneben (13 Gleise, Platz für 40 Straßenbahnen) gibt es einen Kopfbau, früher gab es dort Personalwohnungen, diese wurden aber mittlerweile in Büros umgewandelt. Hier werden auch Reparaturen durchgeführt. Der Betriebshof in Heidelberg braucht Kapazitäten für mindestens 46 Straßenbahnen und 36 Busse. Die Busse und Bahnen fahren Tag und Nacht ein und aus. Außerdem gibt es in Heidelberg eine Werkstatthalle für Reparaturen. Das Projekt in Zürich ist also nicht einfach so auf Heidelberg zu übertragen. Es gibt hier ganz andere Anforderungen und Voraussetzungen.
Es wird suggeriert, dass nun am Altstandort sofort losgelegt werden kann. Tatsache ist, dass mit der geplanten Einbindung der Emil-Maier-Straße und dem Dezernat 16 sowie einer möglichen Schaffung von Wohnraum und Grünflächen auf dem gleichen Areal eine komplett neue Planung nötig wird. Das ist alles andere als eine schnelle Lösung.
Die Befürworter des Altstandorts argumentieren immer wieder mit Zeitdruck – die Planungen an einem andren Standort würde so lange brauchen, man brauche aber jetzt einen neuen Betriebshof.
Fakt ist: Der aktuelle Beschluss sieht eine komplett neue und komplexe Planung vor. Das benötigt viel Zeit.
Die Prüfung der neuen Pläne dauert mindestens 6 Monate. Die Änderung des Bebauungsplan-Verfahrens dauert mindestens 1 Jahr – vorausgesetzt alles wird sofort genehmigt und es gibt keinerlei Einsprüche oder rechtlichen Einwände von Anliegern, was bei der Größenordnung dieses Projekts eher als unwahrscheinlich gilt. Möglicherweise wird auch ein Planfeststellungsbeschluss (mindestens 1 weiteres Jahr) nötig. Die Genehmigung des Bauantrags benötigt auch nochmal weitere 3 bis 6 Monate. Bis wirklich gebaut werden kann, dauert es Jahre. In dieser Planungsphase hätte genau das umgesetzt werden können, was mit dem Antrag der Grünen angedacht war: Zu prüfen, ob es nicht doch bessere Standorte gibt.
Das kann heute niemand seriös vorhersagen. Fest steht: Es wird sehr teuer. Die Pläne für einen Neubau in der Bergheimer Straße wurden bereits im Jahr 2014 mit über 87 Millionen Euro veranschlagt (Anlage 04 zur Drucksache 0311/2018/BV). Hier war aber weder von einem begehbaren Dach noch eine Wohnbebauung die Rede. Allein das begehbare Dach kostet 20 Millionen Euro zusätzlich (vgl. Planung Standort Ochsenkopf). Auch für eine Wohnbebauung auf ungewöhnlichem Baugrund müssen besondere und aufwendige Baumaßnahme (Lärm und Schallschutz, massive Deckenkonstruktion etc.) umgesetzt werden, die sehr kostenintensiv sind und das Projekt wesentlich teuer machen. Der Neubau im laufenden Betrieb bedeutet zudem ein Plus von bis zu weiteren 50 Prozent der Kosten. Kurz gesagt: Es droht eine enorme Kostenexplosion!
Die Baupläne am Standort bedeuten: Jahrelang unzumutbarer Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV) durch Umbau im vollen Betrieb. Oder man braucht einen temporären Ausweich-Betriebshof. Das erfordert wieder einen weiteren zusätzlichen Standort – doch wo gibt es den Platz dafür? Und auch das kostet wieder viel Geld. Eine solche Großbaustelle mitten im Wohngebiet und im laufenden Betrieb bedeutet zudem über Jahre hinweg massive Belastungen für die Anwohnerinnen und Anwohnern. Auch Einschränkungen im Betrieb des ÖPNV, Störungen im Fahrplan, zusätzlicher Verkehr durch Baustellenfahrzeuge, Stau, Lärm und Dreck werden die Folge sein – und das in einem bereits durch Verkehr und Lärm beeinträchtigten Stadtteil. Ein Beispiel: Laut dem Bündnis Bürgerentscheid Klimaschutz Heidelberg wäre für den Bau auf der Ochsenkopfwiese ein Abtransport von
schätzungswiese 73.000 m³ Erdaushub notwendig. Legt man davon nur die Hälfte als Annahme für das Fundament auf dem Altstandort zugrunde, dann wären um den Erdaushub wegzubringen allein über 3.000 LKW-Fahrten (Hin- und Rückfahrt bei 24 m³ pro Lkw) nötig. Bei Bauzeiten von 7 bis 16 Uhr von Montag bis Samstag würde pro Stunde 2 x 40-Tonner in die Mitte Bergheims fahren - und das voraussichtlich 2 Jahre lang.
Die Reaktionen von ausgewiesenen Fachleuten der Stadtentwicklung unterstreichen den Schaden, der mit der Entscheidung einer Mehrheit des Gemeinderates für den Ausbau am alten Standort und der gleichzeitigen Ablehnung der Prüfung alternativer Standorte einhergeht. So spricht Prof. Dr. Thorsten Erl auf Facebook am 18.10.2019 von „einem schwarzen Tag für die Heidelberger Stadtentwicklung und für Bergheim im Besonderen. Schade, wenn sich mit vielen neuen Projekten die Vorzeichen ändern, dann darf man nicht die alten Rezepte als Erfolg verkaufen. Dann muss man neue Wege gehen, ansonsten hängt man der Entwicklung hinterher!“ Schon vor zwei Jahren warnte Prof. Michael Braum von der Internationalen Bauausstellung (IBA) während einer Podiumsdiskussion der CDU Heidelberg: „Es ist eine vertane Jahrhundertchance, wenn wir sagen, das lassen wir so. Ich war sprachlos, als ich hörte, dass es Gemeinderäte gibt, die den Betriebshof dort belassen wollen“.
Der aktuelle Standort hat derzeit Kapazitäten für 33 Straßenbahnen und 37 Busse, bei den aktuellen Planungen für den Standort Ochsenkopf war eine Kapazität von 46 Straßenbahnen und 36 Bussen geplant. Auf einen Betriebshof an der Speyerer Straße passen laut bestehender Machbarkeitsstudie 45 Bahnen und 53 Busse und dieser ist auch zukünftig erweiterbar – im Gegensatz zum Ochsenkopf und Standort in der Bergheimer Straße. Am Standort Ochsenkopf (46 Bahnen und 36 Busse) und bei einem Neubau in der Bergheimer Straße (Neubau: 41 Bahnen, 37 Busse) dagegen sind die Kapazitäten bereits bei Fertigstellung zu klein: Die Busse müssen zur Wartung und Reparatur nach Mannheim gebracht werden. Außerdem fehlt Abstellfläche für die wachsende Busflotte: 11 müssen an anderer Stelle Platz finden und mittelfristig muss ein weiterer Betriebshof für Elektro- bzw. wasserstoffbetriebene Busse eingerichtet werden, teilte die RNV überraschenderweise mit (RNZ vom 18.06.2019). Ein neuer Betriebshof ist zweifellos dringend nötig.
Der aktuelle Beschluss bezieht in die Prüfung den Bereich bis zur Emil-Maier-Straße und gegebenenfalls bis zum Czernyring mit ein. In diesem Areal befindet sich aktuell das Kultur- und Kreativwirtschaftszentrum Dezernat 16. Zahlreiche Akteur*innen der Kultur- und Kreativwirtschaft haben hier ihre Büroräume, Ateliers, Studios und Medien- und Proberäumen. Ein Neubau könnte das Ende des Dezernat 16 bedeuten. Zudem handelt es sich bei der Emil-Maier-Straße um eine öffentliche Straße, die bei einem Bau auf diesem Areal privatisiert werden müsste. Dort liegende Infrastruktur-Leitungen der Stadtwerke Heidelberg müssten verlegt sowie die Eigentumsrechte und die Kostenübernahme neu geregelt werden.
Die grüne Fraktion hätte die weitergehende Prüfung des Altstandorts unterstützt, wenn parallel dazu auch alternative Standorte in der notwendigen Tiefe geprüft würden. Wir wollten gemeinsam eine Lösung für einen geeigneten Standort finden und hatten ein konkretes Angebot gemacht. Leider hatten die anderen Fraktionen nicht den Mut, den kreativen Gestaltungswillen und die Weitsicht, um für die Prüfung alternativer Standorte im Bereich Recyclinghof/Speyerer Straße/Airfield und auf dem Messplatz zu stimmen. Wir Grüne werden das Projekt aktiv begleiten, kritische Fragen stellen und für Transparenz im Prozess sorgen. Damit Bergheim eine Chance erhält und künftige Generationen nicht den Schlamassel dieser Fehlentscheidung ausbaden müssen.
Die Heidelberger Grünen haben beim Bürgerentscheid für Ja geworben und erklärt, warum ein Betriebshof auf dem Areal an der Speyerer Straße aus ihrer Sicht die beste Lösung ist. Das gilt nach wie vor. Alle Vorteile haben wir hier zusammengefasst: https://www.gruene-heidelberg.de/2019/07/faq-betriebshof/
Die Heidelberger Grünen haben beim Bürgerentscheid für Ja geworben und erklärt, warum ein Betriebshof auf dem Areal an der Speyerer Straße aus ihrer Sicht die beste Lösung ist. Das gilt nach wie vor. Alle Vorteile haben wir hier zusammengefasst: Hier klicken!
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