Stadtblattartikel von Stadträtin Dr. Luitgard Nipp-Stolzenburg, Bündnis 90/Die Grünen
In dieser Woche gedenken wir – wie jedes Jahr – der Pogromnacht des 9. November 1938. Nach langer propagandistischer Vorarbeit durch die NSDAP wurden die Heidelberger Synagogen in der Großen Mantelgasse und in Rohrbach geplündert und in Brand gesteckt. In widerwärtigen Exzessen wurden jüdische Bürger*innen misshandelt, ihre Wohnungen und Geschäfte zerstört. Viele Heidelberger*innen beteiligten sich, nennenswerten Widerstand gegen die Aktionen gab es nicht. Am Tag darauf wurden 150 jüdische Bürger*innen ins Konzentrationslager Dachau deportiert. Ein sensibel gestalteter Platz in der Großen Mantelgasse erinnert heute an die Opfer.
Ein anderer Erinnerungs- und Mahn-Ort ist vielen Heidelberger*innen kaum bekannt: in der Schwanenteichanlage führt ein Gleisstück auf einen hohlen Steinblock zu – ein Bahnfahrtziel ohne Ausweg. Die Skulptur erinnert an 299 jüdische Heidelberger*innen, die am 22. Oktober 1940 hier vom Gleis 1a des ehemaligen Hauptbahnhofs ins Internierungslager Gurs deportiert wurden. Viele starben dort an Hunger und Krankheit, die meisten wurden weitertransportiert in die Konzentrationslager im Osten und dort ermordet. Der Dank für diese mahnende Skulptur gebührt Schüler*innen, die im Rahmen von Projekttagen den Anstoß dazu gaben.
Das größte Denk-Mal für die vertriebenen und ermordeten Opfer des Nationalsozialismus sind die Stolpersteine. 152 kleine Messingplatten des Künstlers Gunter Demnig erinnern an die Menschen, an ihren letzten Wohnort und ihr Schicksal. Großer Dank für diese „soziale Skulptur“ (Gunter Demnig) gebührt einer Gruppe engagierter Heidelberger*innen, die sich seit 2008 für diese Erinnerungskultur einsetzen. Sie sammeln Informationen, erarbeiten Biografien, recherchieren Angehörige, suchen Paten für die Finanzierung der Stolpersteine und gestalten sehr bewegende Verlegungen und Gedenkveranstaltungen. Der Gemeinderat und die Verwaltung taten sich anfangs sehr schwer mit der Genehmigung für die Stolpersteine. Man nahm die Bedenken von Charlotte Knobloch, der Vorsitzenden der israelitischen Gemeinde München, sehr ernst. Sie hatte gewarnt, das Andenken der Toten werde dadurch „mit Füßen getreten“. Aber die Initiative ließ sich nicht entmutigen und leistete weiterhin Überzeugungsarbeit. Im April 2010 erteilte der Gemeinderat einstimmig die Erlaubnis zur Verlegung von Stolpersteinen.
Die letzte Verlegung und Gedenkfeier fand am 6. Oktober statt – u.a. in Erinnerung an verfolgte Lehrerinnen des Hölderlin-Gymnasiums. Die an der Feier beteiligten Schüler*innen werden sicherlich nicht vergessen, wohin Ausgrenzung führen kann.
Comments are closed.